Sonntag, 13. März 2011

Zwei Euro pro Tag – Aufruhr in Arabien





Zwei Euro pro Tag – Aufruhr in Arabien

Lernen ist eine schwierige Sache, wie die folgenden Geschichten zeigen. Die arabischen Länder sind im Aufruhr. Der Westen konstruiert ihn als Verlangen nach Demokratie, einige auch nach Freiheit, die Einheimischen sehen es erdverbundener: Befriedigung der Grundbedürfnisse. A grain price spike preceded the North African revolutions.[1] Die Maslowsche Bedürfnispyramide herrscht auch im Pyramidenstaat:

“Wir wollen Brot, Freiheit und Gerechtigkeit”

Die Nullsummenlogik als Merkmal einfachen Denkens kommt ihnen zu Hilfe: die Machtelite kassiert ab. Führte ihren Reichtum auch noch vor. Hätten wir mehr von diesem Geld, ginge es uns besser. Im Jahr 2008 lief die Geschichte schon einmal: Dramatischer Anstieg der Rohstoffpreise, insbesondere für Lebensmittel (Wir stellen einen alten Beitrag erneut ins Netz, unverändert). Jim Rogers sagt es seit Jahren: Investiert in Rohstoffe. Die Deutschen gründen eine Rohstoff AG, weil sie Investitionen in seltene Erden verschlafen haben, es eigentlich immer noch tun. Die grüne Revolution bringt es nicht mehr. Ausgelaufen. Genetisch „Manipuliertes“ scheitert aus den bekannten Gründen. Die Preise für landwirtschaftliche Güter steigen unaufhaltsam an. Der Economist hat es ausführlich untersucht.[2]

Was ist unser Beitrag, der Beitrag der Exporteure von Demokratie? Wir legen Anbauläche brach. Bioenergie/benzin wird von EU-Kommissaren auf Druck von Klimaschützern verordnet.[3] Die Zentralbanken tragen zu dem ständigen Anstieg der Rohstoffpreise bei. Füttern durch Billiggeld die Spekulation. Mehr Geld ausgegeben zu müssen für Brot und andere Grundnahrungsmittel macht mehr Menschen arm. Sie revoltieren. Wenn Länder im Bürgerkrieg wie Libyen auch noch Öl und Gas weniger exportieren, trifft es uns auch, die Ärmeren wie immer am meisten. Der Sauditest steht noch aus. Kein Widerstand erlaubt. Auch die U$A wird ihn zu verhindern wissen. Eine Gallon Benzin für 10 $ überlebt auch Obama nicht. Sind die Aufstände in Arabien auch die unbeabsichtigte Folge des westlichen Lebensstils, der dafür sorgt, daß ein beträchtlicher Teil unserer Nahrungsmittel im Müll landet? (Economist).


Quelle: www.fao.org

Der Markt funktioniert. Die politische Klasse macht Ärger. Überall die Hände drin. Wir wissen was gut für euch ist. Die Intelligenz ist in ETF-Rohstoffonds investiert. Dem armen Mensch bleibt der Hunger.

Die Preisentwicklung des von Rogers gemanagten Rohstoff-ETF ( RJA in New York). Die Deutsche Bank hat gleichfalls einen ETF für Landwirtschaft laufen (DBA, notiert in New York).




In 2008, food shortages triggered riots across the world, from Haiti to Somalia. It’s no coincidence then that the tottering regimes of Tunisia, Egypt, Libya, and counting, which could have fallen anytime in the last 30 years have come under acute pressure now. As Mary Antoinette would have noted in 1789, when bread becomes a luxury, rulers should watch out.

http://blogs.forbes.com/adamgordon/2011/03/01/high-commodity-food-price-decade/

Es folgt unser alter Text, vor drei Jahren geschrieben.

Ein Euro pro Tag

Jochen Röpke

Update: 10. März 2008

1. März 2008

Ein Euro pro Tag. Soviel verdient ein Landarbeiter in einem indonesischen Dorf in Westjava, der höchstentwickelten Provinz in Indonesien. Seine Familie, drei Personen, benötigt zum Über leben drei Euro (40,000 Rupiah).[4] Die Landflucht schlägt daher neue Rekorde. Im informellen Sektor der Städte läßt sich etwas mehr verdienen, aber bei 1.8 Millionen Arbeitslosen in Westjava ist das ohne Selbstausbeutung auch nicht zu machen. Immerhin fördert die Provinzregierung das Training von Unternehmertum bei Arbeitslosen,[5] was wir in Deutschland, dem Land der Mitnahmeeffekte, wieder abgeschafft haben. Frau und Kinder bleiben im Dorf. Landwirtschaft wird eine Angelegenheit von Frauen. Die Diskriminierung von Frauen ist hier ohne Chance. Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Land sind rar, versteckte Arbeitslosigkeit verbreitet. Da die Einkommen bereits am Existenzminimum liegen, hilft ihnen auch die deutsche Einsicht wenig, durch Lohnsenkung Arbeitsplätze zu schaffen. Auf die Idee, Geld für Lohnsubventionen à la Nokia zu spendieren, ist noch niemand gekommen. Das Kinderhilfswerk hat sich auch noch nicht sehen lassen. Ihre Berater lassen sich schließlich nicht für einen Euro pro Tag abspeisen. Und die Fahrer von Cayennes in der Londoner City und ihr Master aus Zuffenhausen haben anderes im Kopf als das von ihnen mit verursachte Elend in der Dritten Welt.

Wir beobachten eine zweifache Umverteilung des Reichtums: Zwischen Reichen und armen Ländern und innerhalb der armen Nationen. Entwicklungshilfe, auf Indonesisch gesagt: lupalah! Vergiß es!

Was passiert?

Nichts – außer gelegentlicher Berichterstattung in der Zeitung, auf die sich der Autor stützt. Da gerade die Reisernte im Gang ist, berichten die Medien ausführlich über das, was auf den Dörfern so alles vor sich geht. Über Preise und Einkommen zu reden, ist in Indonesien Teil der Kultur. Jedermann weiß was der Präsident mit nach Hause nimmt.

Alles ist optimal geregelt, wie in den Lehrbüchern der Ökonomie, auf deren Grundlage sich die Bundesregierung beraten läßt. Die Bauern verkaufen ihren Reis (Rohreis, gabah) für 2,000 bis 2,500 Rupiah (0.20 Eurocent) pro kg an die Händler. Auf einem Hektar erzeugen sie fünf Tonnen ungeschälten Reis, der ihnen 500 Euro bringt.[6] Natürlich betrachten sie sich als abgezockt – aber schließlich bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis. Genossenschaften existieren nicht (mehr). Innovation ist – lehrbuchgerecht – eine Rarität. Neue Arbeitsplätze gibt es daher auch nicht. Die Armut funktioniert also so, wie es das neoklassische Paradigma lehrt: effizient. Die indonesischen Bauern müssten Verdi doch endlich darüber Nachhilfe geben, was einen gerechten Lohn ausmacht.

Eine Eigenschaft der Daten über Armut in Indonesien ist ihre Schwankungsbreite. Das Amt für Statistik Indonesiens (Biro Pusat Statistik) schätzt den Anteil der Armen auf 16.5 Prozent der Bevölkerung, die Weltbank auf knapp die Hälfte der Bevölkerung (49 Prozent).[7] Wichtig ist natürlich, wie aus solchen Daten Information wird und aus Information sich Wissen erzeugt, insbesondere bei der politischen Klasse des Landes. Als kürzlich eine Mutter und ihre zwei Kinder verhungerten, löste dieses Ereignis einen Minischock im Lande aus - das war es. Die politische Klasse beschäftigt sich mit sich selbst. 2009 steht die Wahl an. Wie verteilen wir die Sitze? Wie halten wir Konkurrenz neuer Parteien aus dem System heraus (deutsche Lösung: 5 Prozent)? Die Armen bekommen Gutscheine um Lebensmittel wie Speiseöl billiger zu erstehen. In einem Bezirk der Hauptstadt Jakarta verteilen staatliche Unternehmen (Telekom, Bank Mandiri u.a) an 4000 Haushalte Nahrungsmittelpakete im Wert von jeweils 50,000 Rupiah (knapp 4 Euro, in Kaufkraft das Doppelte): Reis, Speiseöl, Zucker, Nudeln: „Corporate social responsibility“. [8]

Die Presse berichtet ausführlich, welch großes Geld sich mit Palmöl (und Kokosnüssen, Superersatz für konventionellen Dieselsprit) verdienen lässt. Der Wirtschaftsminister des Landes (Bakrie) mischt über seine Plantagenfirma (Aktien auch in Deutschland gehandelt) kräftig mit. Der Baum des Lebens (Kokospalme) hält unsere Cayennes am Leben.[9]

Ave Gabriel, thank you GWB, danke EU. Die Todgeweihten grüßen Euch!

Immerhin leisten wir unseren Beitrag zum Lebensunterhalt in indonesischen Dörfern. Die ökologischen Erzengel einschließlich Gabriel, vom Gott Gaia auf die Erde gesandt, kommen in unser Land, sogar in God’s Own Nation, stärken unser Bewußtsein, doch endlich mehr Biosprit zu produzieren. Die indonesischen Bauern danken es ihnen. Den Reis essen sie, teilweise noch selbst - noch. Einige können sich den selbstproduzierten Reis bereits nicht mehr leisten. Beim Öl zum Kochen und Braten müssen sie fast täglich höhere Preise bezahlen. 13,750 Rupiah pro kg, exakt ein Euro, ein neuer Höchststand.[10] Für den Ökonomen interessant ist die Aussage der Beteiligten: Niemand weiß so recht, warum die Preise so hoch sind (Die deutsche Botschaft hat ihnen schließlich auch noch keinen Kontakt mit den allwissenden Klimaforschern aus Potsdam ermöglicht). Das Entdeckungsverfahren des Marktes (F.A. Hayek) funktioniert in Reinkultur. Indonesien produziert eigentlich genug Palm- und Kokosöl. Aber die Plantagen verkaufen es auf dem Weltmarkt bei rasant steigender Nachfrage - für die Produktion von Kraftstoff (biofuel). Zumindest die Orang Utans (Waldmenschen) und Tiger und Elefanten haben es besser. Sie brauchen sich um ihr Überleben keine Sorgen mehr zu machen. Palmölplantagen ersetzen den Urwald. Kleben wir wenigstens einen Aufkleber mit Tigerkopf in unsere Cayennes, damit wir uns daran erinnern, wem wir für unseren Tankinhalt dankbar sein dürfen.


[1] Parapundit, 27. Februar 2011, http://www.parapundit.com/archives/007938.html

[2] The Economist, The 9 billion-people question, 24. Februar 2011,

http://www.economist.com/surveys/downloadSurveyPDF.cfm?id=18205243&surveyCode=%254e%2541&submit=View+PDF

[3] Markus Becker, Die Mär vom Prima-Klima-Sprit, Spiegel Online, 4. März 2011, http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,749055,00.html; Nadine Oberhuber, Ökowahn aus dem Zapfhahn, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 6. März 2011, S. 53.

[4] Kompas, 25. Februar 2008, S. A, Urbanisasi sulit dibendung (Urbanisierung schwierig einzudämmen).

[5] Kompas, 27. Februar 2008, S. C: 1,8 juta penganggur terdidik di Jabar (1.8 Millionen Arbeitslose erhalten Training in Westjava).

[6] Kompas, 28. Februar 2008, S. J: Petani mendesak agar harga gabah dinaikkan (Bauern machen Druck für steigende Preise für Reis).

[7] Kompas, 9. März 2008, S. 2: Data BPS tentang kemiskan.

[8] Kompas, 9. März, 2008, S. 4: 4.000 RT sangat miskin di DKI dapat bantuan (4000 sehr arme Haushalte erhalten Hilfe in Jakarta).

[9] Heri Susanto, Melesat minus tenaga kerja (Wachstum ohne Arbeitskräfte), Tempo, 9. März 2008, S. 70-71.

[10] Kompas, 29. Februar 2008, S. 26: Minyak goreng mencapai Rp. 13.750 per kg (Öl zum Braten und Kochen erreicht 13,750 Rupiah pro kg).

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