Sonntag, 20. November 2011

Eurokrise, U$-Verschuldung und Demokratie

Ave Hayek, die Todgeweihten grüßen Dich.

Es nimmt kein Ende. Ein Rettungsversuch nach dem anderen. Zu den Vorschlägen nehmen wir keine Stellung. Bringt sowie so nichts. Man fragt sich als demokratieskeptischer Hayekianer, wie beides zusammenhängt, Verschuldung, ökonomische Stagnation und Demokratie. Warum haben die Staaten Schulden über Schulden aufgehäuft? Schon erschütternd wenn man liest, wie die Amerikaner bei nahezu 15,000 Mrd. Dollar („In God we trust“) landen können.

Einfach gesagt: Wählerstimmen. Machterhalt, Machtgewinn. In Europa kommt das freie Eurofrühstück dazu. Die Südländer konnten sich zu niedrigen Eurozinsen verschulden. Wer weigert sich, ein solches Geschenk anzunehmen. Der „kostenlose Frühstückstisch“ (Schumpeter, 1987, S. 165) entfaltet sich als demokratisches Rauschgelage. Was danach kommt, wissen wir. Die ökonomischen Laboratorien (Keynes et al.) bieten wenig, um den Verdauungsbeschwerden – nicht auszuschließen, daß sie in chronisches Krankheiten, eben demokratische Volkskrankheiten münden - zu therapieren. Die Politik hängt zudem an den Krankheiten des Banksystems, von den theoriedefizitären Schools of Finance, als „systemische“ erfunden. Do not touch a running system, auch wenn es uns an die Wand fährt.

Der angelsächsische Finanzkapitalismus herrscht, ein Teilsystem der Ökonomie, eng verlinkt mit Politik und Wissenschaft, der keine über die Zeit akumulierte Wertschöpfung erzeugt. Für die Gesundheit der Ökonomie ist er so nützlich wie Cola und Big Mac für die Gesundheit des menschlichen Körpers. Warum kommt so etwas an, in Wissenschaft, Politik, Medien? Theoretische Simplifizierungen sind en vogue in der Wissensgesellschaft.

Der Bürger zahlt nun zu Recht die Zeche. Er wollte es so. Die Politiker kommen durch ihn ins Amt. Er internalisiert nun die externen Wirkungen seines durch Schulden erzeugten temporären Wohlstandes.

Das Obige ist aber noch, wie angemerkt, zu einfach gesagt. Man muß den Wählerstimmen diejenigen Überzeugungen der politischen und medialen Eliten hinzurechnen, die Überzeugung, andere Länder wären vom eigenen demokratischen Lebensstil zu überzeugen – durch Gewalt, militärische Intervention. Das erzeugt weitere Schulden. Die Amerikaner geben pro Jahr, wenn man die Schattenhaushalte mitrechnet, 1000 Mrd. US $ für Militär aus. Im Budget von Obama für das Jahr 2012 machen die Ausgaben für das Militär 25 Prozent aus, gefolgt von „Gesundheit“ (sprich Therapeutisierung chronischer Krankheiten) mit 23 Prozent und Renten und Pensionen mit 22 Prozent (Sylvain Cypel, Dette américaine: un accord des concessions, Le Monde, 2. August, 2011, S. 12). Die Herabstufung durch Standard & Poor’s bestätigt lediglich, was jedermann wissen konnte und seit Jahren Gemeinplatz von Beobachtern der US-Wirtschaft war. Was will Obama machen? Er hängt am Tropf von Wallstreet, McDonalds und Cola et al. (Produzenten chronischer Krankheiten). Auch Rom starb nicht über Nacht. Was auf die USA zukommt, ist in den Medien noch gar nicht angekommen. Heilige Kühe stehen vor dem Schlachter Schlange.[1]

Ein amerikanischer Beobachter:

Here's the problem. Whatever party actually fixes the problem (i.e. forces the US to live within its means) will incur so much wrath from the American voter that they'll be dead for a generation. Try convincing career politicians to do that---it is a total nonstarter. Thus running into the wall, collapsing, and rebuilding is the only realistic course.

Der Blogger Randall Parker schreibt dazu:

Yes, you describe it in a nutshell. There are politicians in DC who, behind close doors and with people who they can trust, can probably tell you in great detail what some of our problems are. But they can't get reelected with honesty.[2]

Dirk Schümer zu Italien:

So bezeugt Italien nur konsequent die Malaise einer Demokratie, welcher stets der Schlauberger gewinnt, der den Menschen die dreisteten Versprechen macht und die Lüge dann auch Pump finanziert – sich selbst am royalste. [3]

Regel, Ausnahme? Weiß der Weise vom Starnberger See die Antwort? Müssen wir auf Imam Mahdi warten? Auf die Rückkehr steinzeitökonomischer Vernunft und Solidarität? Nochmals Dirk Schümer, warum Italien als Gesellschaft noch funktioniert, die italienische Autopoiese (identisch mit der unserer Vorfahren: nur so konnnten sie überleben):

... Menschen, die für das solidarische Italien der Familien und Nachbarschaften einstehen und einen Gemeinsinn leben, der ihrer politischen Kaste selbst abhandengekommen ist.

Die Amerikaner haben Schulden (privat, Staat, Unternehmen) aufgehäuft, die 360 Prozent des BSP ausmachen. Andere Schätzungen nennen 268 Prozent (Je nachdem, ob man zukünftige Belastungen, insbesondere durch die Sozialsysteme, berücksichtigt oder nicht).[4] Die Entschuldung, wenn sie erfolgt, wird die amerikanische und europäische Wirtschaft für Jahre Wachstumseinbußen bringen. Für die Ratingagenturen kein Problem. Sie sind Teil des Wallstreet-City-Komplexes. Sie schaffen Spekulationschancen im Schattenkapitalismus und für Investementbanken. Die USA machen sich an China ran: aufwerten. Die Chinesen, ausgestattet mit intelligenter Führung, werden antworten: nur wenn ihr Wallstreet an die Kette legt, Schattenbanken und Hedgies eunuchisiert. Wir wissen wie das geht. IMF-Chefin Lagarde spricht – wohl in Anlehnung an das von der internationalen Gemeinschaft der westlichen Demokratien Japan auferzwungene Schuldenmachen und ihre Beseitigung - von einem „verlorenen Jahrzehnt“. Für die Bürger mit durchschnittlichen Einkommen in den USA und Deutschland werden es dann zwei Jahrzehnte werden.

Der von D und dem EU-Mandarinismus Euroländern auferzwungene Sparzwang schädigt die Nachfrage, auch nach deutschen Produkten. Der Exportweltmeister (ehemals) leidet. Gratisfrühstück gibt es nur im Kloster. Zwei Wege der Rettung: Löhne usw. runter (Abwertung scheidet aus), und/oder Aktivierung ökonomischer Potentiale. Keynes ist tot, Hayek, Schumpeter sind in BBP (Brüssel, Berlin, Paris) Unbekannte. Um ihre Wiedergeburt zu feiern, muß man Peking reisen.

Emotionen und Medienmarketing als Grundpfeiler der Demokratie. Wie die politische Klasse im Zusammenwirken mit finanzkapitalistischen Akteuren die Wirtschaft herunterwirtschaftet, ist eine Ereigniskette, die zu beobachten dem Beobachter zu Dankbarkeit verpflichtet.

Die sog. Eurokrise ist auch eine demokratische. Bemekernswert, wie die Topdenker der Nation (Schirrmacher, Habermas) ein Mehr an Demokratie einfordern. Ein Grieche, Papandreou, wollte das Volk befragen. Ist doch ein demokratisches Muß. Auch wenn eine Demokratie ohne Verantwortung resultiert. Lösung komplexer Probleme durch Volksentscheid. Futterproduktion für finanzkapitalistische Säbeltiger. Im Prozeß der natürlichen Selektion längst verschwunden, in finanzkapitalistisch irritierten Demokratien Routine. Wie die Preise von Aktien und Rohstoffen sind auch die Kurse von Staatschulden manipuliert, d.h. der Geldsucht der („systemischen“) Akteure ausgeliefert. Die Politik schaut nicht zu, sie partizipiert. Nicht der Bürger (Wähler), nicht die Medien, der Markt (Zahlungen) beherrscht die Reprodukton, auch der Macht. Welche Nation hat sich unter solchen Bedingungen ökonomisch entwickelt? Politikökonomische Einsichten (Hume, Hayek, Schumpeter, Downs et al.) zum Funktionieren komplexer Gesellschaften scheinen unbekannt.

Keine Paradoxie: die Märkte retten, so schieflastig sie auch funktionieren, die demokratischen Staaten vor ihrer Verelendung. Oder umgekehrt: Politische Korrektheit leistet einen Beitrag zum Niedergang, temporär, dauerhaft(?) der Eurozone. Der Euro war ein Geschenk, denn er erlaubte eine Kreditaufnahme zu niedrigen, quasi subventionierten Zinsen zu machen – zum Wohle der Machtgewinnung/erhaltung politischer Akteure. Die Märkte haben diese Option verbaut. Technokraten und Fachleute machen nunmehr economic engineering. Politiker sind Experten der Macht. Sie geben sie ab, temporär, an Fachleute, nicht freiwillig, aus Kalkül. Die Technokraten halten ihren Kopf hin, baden aus, aber nicht an der Wahlurne, sie müssen sich nicht den Wählern stellen. Was können sie tun? Im finanzkapitalistischen System der Wirtschaft müssen sie auch, und primär, die Bedürfnisse der Investmentbanken befriedigen. Auch in Rezession und Depression läßt sich viel Geld verdienen. Und auch Fachleute können Volkswirtschaften ruinieren, wenn ihren blinden Flecke dasjenige nicht wahrnehmen können, was Entwicklung bewirkt. Wenn sie mit Theorien operieren, bewußt oder unbewußt, die ohne entwicklungslogische Aktionsparameter zu reparieren versuchen.

Was einigen Beobachtern immer klar war und ökonomische Gesetze nahelegen: Autonome Wirtschaftssysteme mit unterentwickelten Entwicklungspotentialen und Kompetenzprofilen (die Südländer der Europäischen Union) leiden an einer gemeinsamen Währung. Eine Politik auf EU-Ebene, die hierauf schöpferisch antworten könnte, ist nicht in Sicht.

roepkehu@yahoo.de



[2] http://www.parapundit.com/archives/008236.html#precomments

[3] Der Pate: letzter Teil, FAZ, 10. November 2011, S. 29.

[4] Gerald Braunberger hat den Anstieg der privaten und staatlichen Schulden seit 30 Jahren dokumentiert. Die „268“ für die U$A entnehmen wir diesem Beitrag (FAZ, 13. September 2011, S. 29: Nicht nur der Staat ist in einer Schuldenkrise, http://www.faz.net/artikel/C31640/schuldenkrise-es-ist-nicht-der-staat-allein-30685317.html).