Donnerstag, 27. Oktober 2011

Euro-Krise und kein Ende in Sicht?

Zum Niedergang eines Politikmodells

Updates 11. September 2011, 26. Oktober 2011

Pech gehabt. Die FT vom 3. September 2011 in die Hand bekommen. Folge: ein Blog. Statt Laozi Euro-Krise.

“Greek puts € 8 bn bail-out aid at risk”, der Aufmacher auf Seite 1. Die Vertreter der EU, des IMF und der EZB, die sog. „Troika“ hatten einen Wutanfall und sind aus Athen abgereist. Wegen was? Weil die Griechen 1.2 Mrd. Euro mehr Defizit machen als vereinbart? Dazu kommt das griechische Hin und Her über sog. Strukturreformen, Privatisierungspläne und gescheiterte Bemühungen noch mehr Steuern einzutreiben. 1.2 Mrd. sind eigentlich ein makroökonomischer Witz. Etwas mehr als ein Prozent von dem, was die Amerikaner jedes Jahr für die Verteidigung von Kriegen ausgeben. In finanzkapitalistischen Arbitragesystemen lösen jedoch auch kleine Irritationen Spekulationswellen aus, welche Politik und Rechtssysteme nicht zu zügeln vermögen und welche die ökonomische Wissenschaft vor kognitive Herausforderungen stellt, die gleichgewichtsanalystische Paradigmen überfordern.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos äußert sich zu den Vorwürfen der drei makroökonomischen Staatsanwälte: Die griechische Regierung habe keine Pläne zusätzliche Sparmaßnahmen zu ergreifen. Das steigende Haushaltsdefizit resultiere aus einer stärkeren als erwarteten Rezession, Folge: mehr Ausgaben und weniger Einnahmen. Das wußte doch jeder schon vorher. Bachelorstudium in VWL. Strafpredigt von Dr. Merkel. Was schlagen die EU-Mandarine als Lösung vor? Nichts zu erkennen, wie seit einer Dekade. “Es ist das Anwenden dessen, was man gelernt hat, das Arbeiten auf den überkommenen Grundlagen, das Tun dessen, was alle tun. Auf diese Art wird nie ,Neues' geschaffen, kommt es zu keiner eigenen Entwicklung jedes Gebietes, gibt es nur passives Anpas­sen und Konsequenzenziehen aus Daten" (Joseph A. Schumpeter, 1911/2006, S.124).

Die Märkte bewerten Griechenland als Bankrottstaat. Anfang September lag die laufendende Verzinsung für einjährige Staatsanleihen bei 88 Prozent. Dahinter steht ein Totalversagen der Politik in Europa/EU und Griechendland. Wie die Griechen, wenn sie im Euroverbund bleiben, Wachstum erzeugen können, wissen auch die Götter nicht. Die Deutschen haben den Maschinenbau, die Griechen Sonne und Akropolis. 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzeugt der Tourismus.

Mit 5 Minuten Brainstorming und solider Theorie läßt sich eine griechische Tragödie auffangen – ohne Einsatz keynesianischer Aktionsparameter.

In Kürze werden wir wissen, was die Weisheit des Volkes, vertreten im Deutschen Bundestag, zum Niedergang der Eurozone zu berichten hat. Die Bildzeitung wußte es schon vorher, am 3. September die Bestätigung: „Griechen-Schulden ausser Kontrolle! Bild hat die Katastrophe kommen sehen. Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen.“

Vielleicht drehen die Griechen nun endlich durch und werfen hin, angesichts der „geistigen Germanisierung“ (Nietzsche, Völker und Vaterländer) des politikökonomischen „Diskurses“. Retter gibt es genug. Auch für einen holländisch Kranken. China wartet. Libyen ertrinkt im Geld. 160 Mrd. Dollar Währungsreserven, nach Schätzungen der Weltbank (FT, 3.9. 2011, Libya and Gold, S. 24.) Alle raufen sich um das Geld. Es gab einmal Zeiten, in denen griechisches und islamisches Denken auf wunderbare Weise harmonisierten. Austritt aus dem Währungsverbund, Schuldenschnitt. Bild schreit dann erst richtig auf. Ein Audi wird für die Griechen unbezahlbar. Die Chinesen liefern dann endlich die Stents für die griechischen Herzversager. Chinesische Mandarine, libysche Dollars plus griechische Intelligenz wer braucht dann noch B2 (Brüssel und Berlin)?

Science oder Fiction: es liegt vollständig außerhalb der Vorstellungswelt der Entscheider. Beschäftigen wir uns grundsätzlicher mit den Krisen in der westlichen Welt inklusive Japans (von den Japanern selbst als Quasi-Kolonie der USA betrachtet: wer einige Jahre zurückblättert: Krise in Japan „made in the US“ ). Warum Japan gegenwärtig nicht gegen die Überbewertung seiner Währung angeht, versteht nur Goldman Sachs. Vier Wirkungsströme sind zu nennen.

1) Entwicklungsdynamik (Logik der Neukombinationen)

2) Finanzkapitalismus auch als „Neoliberalismus“ bezeichnet

3) Demokratische Motive und Prozesse der Verschuldung. Machterhalt/gewinn durch Schulden. inHi

4) Dominanz keynesianischer Aktionsparameter.

Der erste und dritte Komplex sind blinde Flecke im sog. Diskurs. Alle vier wirken zusammen, ließen sich jedoch getrennt therapieren. (2) spielt mit (3) und (4) schafft Futter für (2). (1) bleibt unentwickelt und hat eine neue Heimat in Greater China gewonnen. Wenn China sich dem Druck der U$A und ihrer Institutionen (IMF, Weltbank, auch die EU mischt mit) beugt, also (2) importiert, wird die Depression der 30-er Jahre des 20. Jahrunderts als kleiner Unfall der kapitalistischen Maschine in die Geschichte eingehen. Was aus 1-4 für die Gestaltung eines „Krisenmanagement“ folgt, bedarf keiner Kommentierung. Die theoretische Ignoranz der Entscheider wird in einer globalisierten Ökonomie zum Wohlstandsvernichter.

Für den Ökononem zu beobachten ist die Beherrschung der Welt durch Geld. Alle Teilsysteme der Gesellschaft werden durch „Zahlungen“ (Niklas Luhmann) gesteuert. Politik hat mit Geld Stimmen, d.h. Macht gekauft und wird nunmehr durch die Märkte zurechtgewiesen. Die Finanzmärkte, chaotisch, habgiermemetisch, im Sekundentakt sich reproduzierend, beherrschen die Stimmenmaximierer. Die Politik zügelt die Schuldenproduktion nicht aus eigenem Antrieb, sie wird von den Märkten dazu gezwungen. Schuldenkontrolle ändert aber wenig an einer Politik, welche (1) nicht auf die Rolle bringt. Wenn die Griechen auf Rache aus sind, steigen sie aus dem Euro aus. Wenn der Euroraum das nicht verkraftet, leidet Deutschland am meisten. Ich sehe nur einen Ausweg: (1) – made in China. Deutschland bleiben keine Alternativen, als die Griechen im Euroraum zu halten. Wenn Griechenland ökonomisch mangels Wettbewerbsvermögen nicht auf die Beine kommt, es wäre kein Grund sich aufzuregen. Das Land bringt Deutschland wenig an Exporterlösen.

China muß jedoch aufpassen. Immense Kräfte versuchen, dem Land (2) aufzudrücken. Das würde am Ende Gleiches bewirken wie in den finanzkapitalistischen Kolonialmächten und ihren Vasallenstaaten, ökonomischen Niedergang. Wie die USA sich selbst eunuchisieren, sollen sie es tun. Der ökonomische Niedergang des Landes scheint vorprogrammiert. Wer braucht McDonalds, Coca Cola, Ipads, Goldman Sachs und Diabetesmedikamente? Stents werden in China zu einem Bruchteil von Made in the US hergestellt. Die Federal Death Administration FDA läßt sie nicht ins Land. Ein Meilenstein wird die Konvertabilität der chinesischen Währung sein. Wird sie verwirklicht, wird das Land mit Spekulation überflutet. Die Realwirtschaft leidet wie heute in Japan. Die Griechen dürfen dankbar sein. Diese Option haben sie nicht mehr, ausser sie steigen aus dem Euro aus – was viele Ökonomen als unvermeidlich betrachten. Alternativen wäre eine Neukombinationspolitik nach (1), welche die Griechen aber nicht selbst finanzieren können und sie auch institutionell und handlungsrechtlich überfordert.[1] Einen Deng Xiao Peng sehe ich nirgendwo im EU-Raum. Ein Industriekommissar will EU-Mandarine in griechischen Amtsstuben aufräumen lassen. Was sollen sie machen: Sparpakete noch besser schnüren und per DHL nach Brüssel schicken? Wenn sie in Brüssel und Berlin ankommen, ist die Luft raus: Steuereinnahmen und Einkommen brechen ein.

Der deutsche Finanzminister hat die oben geschilderten Ereignisse als „Pumpkapitalismus“ charakterisiert. Er hätte es besser als Pumpdemokratie bezeichnet. Die Schulden wurden sämtlich von der politischen Elite und den Vertretern des Volkes durchgesetzt. Auch in Griechenland, Italien, Spanien usw. Mehr Demokratie wagen ist kein free lunch. Patrick Welter zum jüngsten Konjunkturvorhaben von Präsident Obama „Das neue Konjunkturpaket ist sein verzweifelter Versuch, sich über den Wahltag zu retten. Kurzsichtig eben.“ [2]

Die Wie-Frage

Griechenland tritt 1981 in die Europäische Gemeinschaft ein, nahezu im gleichen Jahr, in dem China den Maoismus in der Wirtschaft zu Grabe trägt. Was in China sich abspielte – zur Überraschung der westlichen Beobachter bis heute – eine innovations- und evolutionsgetragene Transformation. Griechenland? Wenig Vergleichbares, unternehmerisches Flachland, unterstützt durch EU-Programme und Milliardengeschenke plus Verschuldung in der Gemeinschaftswährung, welche das Land zahlungunfähig machte. China finanziert die USA, kauft Rohstoffvorkommen weltweit, verwirklicht sämtliche Basisinnovationen (1-6) weitgehend gleichzeitig (Multikondratieff). Die EU-Berater der Griechen kamen (Lissabon-Strategie) und kommen mit Programmen, die durch Einsatz funktionsflacher Aktionsparameter eine Wirtschaft modernisieren wollen. Korruption in China ist mit Innovation verknüpft. Die griechische politische Elite schöpfte durch EU-Transfers und niedrigverzinste Eurokredite finanzierte Routinerenten stimmenmaximierend ab.

Die „Wettbewerbsfähigkeit“ sei zu steigern. Wie macht man das? Schließlich können Griechenland, Italien usf. nicht einfach abwerten, ihre Währung unterbewerten, der Weg Deutschlands, Japans, Chinas. Die gemeinsame Währung verlangt massive Investitionen neukombinative Prozesse. Woher kommt das Geld? Wer finanziert den Kompetenzaufbau?

Kniefälle vor den Chinesen. Sie sollen Geld einbringen. Was wir zunächst als mögliche Zukunft im Auge hatten, könnte schon bald Wirklichkeit werden. An einem Tag zwei Berichte, Spiegel und Süddeutsche Zeitung erläutern das Bemühen der politischen Elite, den Rettungsschirm bis nach China zu spannen.[3] Man muß hoffen, daß der Dalai Lama nicht bei Dr. Merkel interveniert. Die herrschende Meinung zu China: Kommunistische Wirtschaft (EU verweigert Anerkennung als Marktwirtschaft), Ausbeutung (Billiglöhner), Menschenrechtsverachter. Eine Diktatur muß die Demokratien Europas retten.



[1] Michael Martens, Sparen ohne Überlebenshilfe, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Juni 2011, S.3.

[2] Patrick Welter, Obamas kurzsichtige Sozialtüftelei, FAZ, 10. September 2011, S. 18.

[3]Rettungsfonds-Chef wirbt um chinesische Investoren, Spiegel Online, 26. Oktober 2011, http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,794079,00.html; Catherine Hoffmann, Chinesische Versuchung, SZ, 26. Oktober 2011, S. 17.

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